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Kevin

Kevin heisst gar nicht Kevin. In seinem Pass steht Laura, Geschlecht weiblich. Kevin ist Transgender. Wie Doppelbürger oder Tätowierte im Massanzug sind Transgender eine Herausforderung für alle unter uns, die ihre Mitmenschen klar zuordnen wollen. Weder Fisch noch Vogel sagt das Sprichwort, als ob alles Fisch oder Vogel sein muss. Die Schweiz ist ein vielfältiges Land und verdankt dies dem Umstand, dass es keine dominierende Mehrheit gibt. Wir haben keine Monokultur zweier grosser Parteien, die das Land spalten, so wie heute die USA oder früher Deutschland und Frankreich. Wir haben keinen Staat, der Minderheiten gezielt benachteiligt, Teile der Gesellschaft bewusst ausgrenzt. Die Schweiz ist ein Land der Minderheiten, die mit anderen Minderheiten zusammenspannen müssen, um eine Mehrheit zu bilden. Das schützt Minderheiten vor staatlichen Freiheitseinschränkungen.

 

Michael Hermann hat das in seinem Buch «Was die Schweiz zusammenhält» wunderbar beschrieben: die Sprachgrenze verläuft anders als die Glaubensbarriere zwischen Protestanten und Katholiken und sowieso anders als der Stadt/Land-Graben. Jeder Bewohner dieses Landes gehört einer Minderheit an und hat damit ein Interesse, dass Minderheiten respektiert werden. Wenn ich als Katholik französischer Muttersprache im deutschsprachigen, protestantischen Huttwil so leben darf, wie ich will, muss ich auch etwas dafür tun. Da genügt es nicht, etwas für mich zu fordern. Ich kann erst frei sein, vom Staat nicht eingeschränkt, wenn Kevin als Transgender akzeptiert ist und Tätowierte im Massanzug herumlaufen dürfen.

 

Unsere Demokratie ist so aufgebaut, dass Minderheiten zusammenarbeiten müssen. Sie setzt voraus, dass jeder seinen Beitrag leistet. Im allgemeinen Trend der Individualisierung scheinen immer mehr Menschen das zu vergessen. Meistens bleibt eine Mehrheit den Wahlen und Abstimmungen fern und setzt dabei ihre Freiheit aufs Spiel.

 

Hier in Europa wird viel über Donald Trump gewettert, dabei ist er nur Präsident geworden, weil das amerikanische Volk es zugelassen hat. Seit jeher kann in den USA der Kandidat zum Präsidenten gewählt werden, der im zweiten Wahlgang weniger Stimmen erzielt hat. In den USA durchlaufen die Kandidaten zuerst parteiintern einen Wahlkampf. 2016 gingen über 43% der Wahlberechtigen nicht wählen. Wo waren alle die heutigen Trump-Gegner, als es darum ging, zu verhindern, was Realität geworden ist?

 

Wenn Ihnen Ihre Freiheit lieb ist, dann verteidigen Sie sie. Der Staat wird Sie nicht einschränken, wenn Kevin, die Tätowierten im Massanzug, die Doppelbürger, ich und alle anderen sich auch frei bewegen und verhalten können.

 

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