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Eine Wand

Ich verstand die Metapher nicht, als eine Expertin von einer Wand sprach, die auf uns zukomme. Wir haben in dieser Pandemie von Wellen gesprochen und mir war nicht klar, wieso eine Wand bei Omikron das passende Bild sein sollte, bis ich zu rechnen begann.

Mein Lehrmeister in Biostatistik Marcel Zwahlen würde aber der simplen Statistik zwar die Augen rollen und seine beiden amerikanischen Kollegen tauchten auch laufend vor meinem geistigen Auge auf «Philippe, never mind the confounders!» und ihre heissgeliebten odd ratios habe ich schon gar nicht in Betracht gezogen. Aber ich schweife ab.

Das Bild einer Wand versteht man nämlich auch so. Die Task Force geht von 20'000 neuen Infektionen pro Tag aus. Das sind 600'000 pro Monat, also halb soviel wie wir seit Beginn der Pandemie überhaupt hatten. Die Welle ist so hoch wie eine Tsunami-Welle. Die Höhe der Welle ist allerdings nicht der einzige Grund für das Bild einer Wand. Die Welle wird schmerzen, weil sie uns hart treffen wird. Hart wie eine Wand.

Ich meine damit nicht nur die Erkrankten und Todesfälle. Auch wenn Omikron halb so viele Hospitalisierungen auslöst wie die früheren Varianten, dann sind das bei 1.2% immer noch 7'200 in einem Monat. Die Schweiz hat insgesamt rund 22'400 Spitalbetten, davon rund 850 auf Intensivstationen. Wenn wir schon in den letzten 28 Tagen mit knapp 3'000 Hospitalisierungen die Intensivstationen zu knapp 39% mit COVID-19-Fällen gefüllt haben, dann braucht es keine grosse Rechnerei, um herauszufinden, dass es sehr, sehr eng wird für alle anderen Erkrankten. Da jeder COVID-19-Patient dermassen lang auf der Intensivstation liegt, dass 10 bis 15 andere auf eine Operation warten müssen …. .

Ich meine aber etwas ganz anderes. 600'000 Infizierte, das sind 6 Millionen Isolationstage. Und wenn jeder von denen auch nur eine einzige Person in Quarantäne schickt, dann sind es doppelt so viele Menschen und Tage. Darunter sind viele, sehr viele Arbeitstage und nicht jede Arbeit kann im Home Office erledigt werden. Züge und Lastwagen fahren (noch) nicht selbstständig herum. Beladen und Entladen können sie sich auch nicht selber. Das ist die schmerzhafte Wand, die auf zukommt. Vieles wird nicht mehr funktionieren, nicht mehr verfügbar sein.

Sind Dir die Zahlen zu gross? Für Huttwil bedeutet das 350 Infizierte in einem Monat, die 3500 Tage in Isolation gehen. Wenn sie je eine Person in Quarantäne schicken, dann wäre das so, als ob in Huttwil alle Schüler und Lehrer zehn Tage zuhause bleiben würden. 4 würden im Spital landen, sterben würde hoffentlich keiner. Rein statistisch gesprochen.

 

Festhalten! Die Wand ist schon da!

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