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Wieso Bochum?

Philippe: Deine Hauptfigur wächst in Bochum auf. Ich war noch nie in Bochum, habe ein diffuses Bild von Ruhrgebiet und den Klischees, die dazugehören, wie grosse Fabriken, hohe Kamine, Quartiere, die wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Du bist in der Schweiz aufgewachsen, wieso hast Du Dich für Bochum entschieden? Wieso wächst Deine Hauptfigur nicht in der Schweiz auf? War das zu nahe an Deiner eigenen Geschichte?


Gianpietro: Die Geschichte der süditalienischen Arbeiter, die in die Schweiz kamen, weil die Schweiz Arbeitskräfte brauchte, ist eine schmerzhafte Geschichte. Ich wollte sie nicht im Roman drin haben, weil sie zu viel Platz eingenommen hätte. Was die Schweiz gemacht hat, geht über die Schwierigkeiten hinaus, die Gastarbeiter in Deutschland erlebten. Max Frisch hat einmal gesagt, die Schweiz habe Arbeitskräfte gerufen und es seien Menschen gekommen. Die Schweiz war nicht darauf vorbereitet, die Arbeitskräfte wie Menschen zu behandeln. Ich fühle mich nicht in der Lage, dies in einem Roman aufzuarbeiten. Vielleicht schaffe ich das eines Tages.


Es gibt aber einen zweiten Grund und dieser ist genauso wichtig. Die Schweiz ist kleinräumig, die Städte sind klein, Man kennt sich. Die Städte bieten kaum Anonymität. Zürich heute schon, aber damals in den 1950er und 1960er Jahren als die Süditaliener kamen, bot auch Zürich den Schutz der Anonymität nicht. Im Gegensatz zum Ruhrgebiet. Bochum habe ich gewählt, weil es keine Hauptdestination der Gastarbeiter war. Es brauchte etwas Glück, damit das Schicksal Dich nach Bochum brachte. Deshalb sind Giovanni Crocco und seine Freunde in Bochum gelandet während die Brüder Gentile in Essen aufschlugen. Die Anonymität der Stadt war auch für Deutsche wichtig, die dem Landleben entfliehen wollten, wie Angela, Achims Mutter.


Die Anonymität war mir wichtig, denn es geht nicht darum, wie die Deutschen oder die Schweizer die Gastarbeiter empfangen, behandelt usw. haben, sondern was das Eintauchen in diese fremde Welt mit den Gastarbeitern gemacht hat. Egal welche fremde Welt.


Was sich in Bochum abspielt, ist im Buch ohne Ortsangabe beschrieben. Im Gegensatz zu den Episoden in der Basilicata, da sind die Orte so genau beschreiben, dass Du dort hingehen kannst. Es geht nicht um Bochum – sorry Bochum -, sondern um eine Verkörperung einer fremden Welt und die Herausforderungen für den Zuwanderer, sich in dieser fremden Welt zurechtzufinden. Bochum ist mir bei der Suche nach dem idealen Ort dieser Verkörperung sofort sympathisch gewesen. 

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