Mit Wien verbindet mich eine Hassliebe. In Wien ist die Vergangenheit dermassen präsent, dass ich sie erdrückend finde. Was einmal zerstört wurde, kann hingegen nicht mehr zurückgeholt werden. Als wir nach Huttwil gezogen sind, dominierten die alte Meer-Fabrik und die Gärtnerei Meiller den Langetenabschnitt auf Höhe des historischen Städtchens. Sie mussten Wohnblöcken weichen, die genau gleich aussehen würden, wenn sie in der Agglomeration Zürichs hingestellt würden. Ihr Agglo-Groove passt nicht zum historischen Huttwil. Sie wirken als Fremdkörper, ohne Berücksichtigung des Erscheinungsbildes, der umliegenden Gebäude.
Trägt man zum Bestehenden nicht Sorge, bleibt eines Tages nichts anderes übrig als zu zerstören und Neues hinzustellen. Entwickelt man Bestehendes nicht, dann wirkt es irgendeinmal entrückt, nicht mehr zeitgemäss. So wie Wiens Geschichte mich jedes Mal fast erschlägt. Dennoch ist das immer noch viel besser als ein Zentrum komplett neu zu schaffen, wie dies in Mannheim geschehen ist. Die Strassen in der Innenstadt haben keine Namen, die dazwischenliegenden Quadrate werden aus einer Kombination von Buchstaben und Zahl benannt. Wo wohnst Du? In D7!
Es ist meistens unkomplizierter, schneller und billiger, etwas Neues abseits von etwas Altem zu bauen, als das Alte zu renovieren oder zu ergänzen. Das berücksichtigt aber weder den Bodenverbrauch, die Ressourcenverschwendung noch die Umweltbelastung. Neu bauen bedeutet zudem die Vergangenheit begraben. Dies fällt denen schwer, die sich mit der Vergangenheit identifizieren. Neu bauen ist eine verneinende Antwort auf die Frage, ob das Bisherige Teil der eigenen Identität ist. Vor rund einem Jahr war ich an einer Tagung zu möglichen Massnahmen für Städte zur Gesundheitsförderung. Erstaunt musste ich feststellen, dass Städte wie Winterthur oder Aarau mühsam das aufzubauen versuchen, was in Huttwil selbstverständlich ist. Hier kann man vieles zu Fuss erledigen: einkaufen, zum Arzt, zur Apotheke, zur Gemeindeverwaltung, auf den Friedhof oder in die Kirche gehen, aber auch einen Gemüsegarten pflegen oder schwimmen. In einem Wort: Lebensqualität.
Meine Studenten an der Höheren Fachschule Luzern durften ein Marketingkonzept für das Schwimmbad Huttwil im Krummacker schreiben. Faszinierend war, wie diese jungen Innerschweizer das Schwimmbad als Perle sahen, «aus der man etwas machen kann». Der Standort nahe bei der Bevölkerung wurde als Riesenplus gesehen. Obwohl sie wussten, dass eine Alternative in Schwarzenbach zur Diskussion steht, zweifelten sie nie daran, dass der Krummacker der richtige Ort ist. Die Alternative in Schwarzenbach sei unwirtlich, weil niemand dorthin läuft, sie belege riesige Flächen, wobei die Parkplätze für die vielen Autos besonders ins Gewicht fallen würden. Damit werde jegliche soziale Beziehung verbannt, man fahre am Detailhandel und Restaurants vorbei ohne anzuhalten.
Ich schwimme nicht gerne, aber mir ist nicht egal, wo das Schwimmbad sein wird. Wie meine Studenten sehe ich die erneuerte Badi als das viel bessere Angebot an. Sie ist mit einem einmaligen Angebot klar positioniert, während die Badi im Campus wieder so ein Ding mit Agglo-Groove ist, das auch in Glattbrugg oder Hombrechtikon stehen könnte, und nur das anbietet, was alle anderen grösseren Schwimmbäder um Huttwil herum auch anbieten.
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