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Die unterbrochene Kette

Was nützen einem Pharmakonzern seine Milliardengewinne, wenn er ein Medikament nicht mehr herstellen kann, weil der Wirkstoff ausgerechnet in Wuhan und nur in Wuhan hergestellt wird, dort wo die Corona-Krise ihren Anfang nahm? Unser weltweites Versorgungsnetz hat Löcher bekommen. Die Staaten haben Massnahmen ergriffen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Diese Massnahmen haben die Globalisierung eingeschränkt und durch nichts ersetzt. Unsere Abhängigkeiten kamen zum Vorschein. Hier das genannte Pharmaunternehmen, drüben ein Online-Shop für Coiffure-Produkte, dessen Umsatz einbricht, weil die Coiffeure nicht mehr arbeiten durften. Dort ein Senior, der niemanden hat, der für ihn einkaufen gehen kann und sich bösen Blicken und Kommentaren aussetzt, weil er «sich dennoch erfrecht» in der Migros einzukaufen.

 

Weil die Bedrohung aus der Fremde kam, wurden Rufe nach Grenzschliessungen («schliesst die Grenzen nach Italien») laut und Forderungen nach Ausgrenzung («alle Risikogruppen sollen sich in Quarantäne begeben») kamen auf. Diese Art mit Bedrohung umzugehen stammt aus früheren Zeiten, als man den Feind noch kommen sah und die Aussätzigen ins Siechenhaus verbannen konnte.

 

Die mittelalterlichen Weltbilder funktionieren nicht mehr. Der Name des Virus tönt zwar barbarisch (Sars-CoV-2), ebenso die Krankheit (COVID-19), die er auslöst, aber er ist nicht sichtbar. Die Infizierten kann man nicht so einfach erkennen und ausgrenzen. Andere Mittel mussten im Kampf gegen die Bedrohung eingesetzt werden. Wir dürfen deshalb seit Wochen nicht mehr so leben, wie es uns gerade passt.

 

Die Welt ist kein globalisierter Markt mehr. Corona hat schonungslos die Lücken in unseren Ketten aufgedeckt. Lücken, die man mit Geld nicht schliessen kann. Der Wert der Dinge misst sich halt auch nicht nur in Franken, gerade für uns als Gesellschaft. Rufe den Laptop zu schliessen und lokal einzukaufen, sind zwar nachvollziehbar, aber das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Die Informationstechnologie hat viele Vorteile, die wir nicht missen wollen. Ich frage die Suchmaschine wer was in der Region anbietet und nicht mehr das Telefonbuch. Nur die lokalen Bauern schützen zu wollen, greift zu kurz. Wir müssen die gesamte Wertschöpfungskette anschauen, vom Lieferanten des Bauern bis zum Abnehmer der Erzeugnisse des Bauernhofes und dessen Kunden. Die Globalisierung bringt erst einen Mehrwert, wenn etwas in unserer Wertschöpfungskette entstehen kann, was sonst nicht entstanden wäre. Reisst die Kette, bringt die Globalisierung nichts.

 

Die Corona-Krise ist irgendeinmal vorbei. Das alte Leben sollten wir nicht weiterführen als ob nichts gewesen wäre. Mittelalterliche Lösungen wie Grenzschliessungen, Ausgrenzungen und Strafe sind in meinen Augen wertlos. Wertvoll sind gemeinschaftliche Lösungen («zäme geit’s!), funktionierende Netzwerke («Fachgeschäfte Huttwil bringen Glück») und Kooperationen, die Grenzen öffnen («Mammutland»). Wir müssen wieder bewusst zusammen etwas erreichen, weil es uns wert ist.

 

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