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Seltsamer Advent

Gestern hätte der Jugendchor in der Geissbergkirche in Langenthal singen sollen. Hätte. Es kam ganz anders. Wegen Corona. Wieder einmal. Schon wieder.

Gesungen haben zwei Teenagerinnen aus Huttwil. Solo (ohne Maske) und im Duett (mit Maske). Begleitet am Klavier von ihrer Gesangslehrerin und dem Leiter der Musikschule Langenthal (beide mit Maske). Zwischen den Liedern las die Vikarin eine Weihnachtsgeschichte vor (ohne Maske). Mit dem Sigrist (mit Maske) zusammen, der die Eingangskontrolle machte, 6 Menschen im Einsatz. Einer mehr als Zuhörer (alle mit Maske). Drei der Zuhörer waren Angehörige der Solistinnen. Adventsfenster hiess der Anlass.

Während der Adventszeit zünden wir Kerzen eines Adventskranzes an. Vier Kerzen. 4848 Kerzen brannten kürzlich auf dem Bundesplatz. In Erinnerung an die Corona-Toten. Auch hier nimmt die Pandemie so viel Platz ein, dass alles andere blass wirkt.

Es ist so still. Ein seltsamer Advent. Blickt man vom Huttwilberg auf Huttwil hinunter hört und sieht man fast nichts. Der Stau ist mit der Auflösung der Baustelle verschwunden. Eine andere Baustelle reisst ein riesige Narbe in den Hang zwischen Sonnhalde und Hohle. Hier ensteht ein zukunftträchtiges Quartier. Ein Zeichen der Hoffnung.

Gestern das WhatsApp einer Bekannten, sie sei positiv getestet worden. Vor einer Woche haben wir uns das letzte Mal getroffen (mit Maske). Der erste Gedanke, der erste Wunsch: hoffentlich ohne zu starke Symptome. Immer wieder diese Bilder im Kopf der vollen Intensivstationen. Gestern auf Facebook einen Beitrag des CHUV. Der Chef der Intensivstation, der sagt "einen kurzen Moment lang haben wir befürchtet, die elfte Beatmungsabteilung eröffnen zu müssen".

Heute ein Beitrag von SRF aus dem Jahr 2011 als der FC Basel den englischen Meister Manchester United aus der Championsleague geworfen hat. Ein Stadion voller jubelnder Menschen. Heute ist es so still in den Stadien, dass man die Spieler fluchen hört, wenn ihnen etwas misslingt. Wann wird das wieder unser Alltag sein?

Es ist ein stiller Advent. Die Gedanken sind immer wieder bei anderen Menschen. Viel Austausch über soziale Medien, Telefon und Video, aber kaum physischer Kontakt. Es sind schon bald zwei Monate her, dass ich ausserhalb des Kanton Bern war.

Diese Stille ist bedrückend. Man hört jedes Detail. Gemeinsame Klänge gibt es kaum. Ein seltsamer Advent.

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Kommentare: 1
  • #1

    Hannes Hofstetter (Dienstag, 08 Dezember 2020 11:30)

    "Man hört jedes Detail": Das könnte etwas von dem wenigen Positiven sein, das Corona mit sich bringt. Aber wir lassen auch die Gelegenheit, einander mal wieder ungestört zuhören zu können, ungenutzt verstreichen.

    Stattdessen gehts auch im Umgang mit diesem Thema längst nur noch darum, wer sich - unabhängig von dem, was er oder sie zu sagen hat - am Lautesten bemerkbar macht.