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Gianpietro mit n

Philippe: Auf Deiner Homepage erklärst Du zwar, wieso Du Dich bei Deinem Pseudonym für Montano entschieden hast, aber wieso der Vorname Gianpietro ist, erklärst Du nicht. Solltest Du nicht Giampietro mit m heissen, wie es in der Basilicata üblich ist?


Gianpietro: Die Wahl des Pseudonyms hat mit der Suche nach meiner kulturellen Identität zu tun. Ich bin, gemäss Bundesamt für Statistik, ein Mensch mit Migrationshintergrund, weil meine Eltern beide im Ausland geboren sind. Wir sind mit meinen Eltern jedes Jahr in ihre alte Heimat gereist. Im Zentrum dieser Reisen standen die Verwandtenbesuche. Anderes hatte kaum Platz. So hat man mir beispielsweise erzählt, dass meine Grossmutter früher ein Restaurant in der Nähe eines weltberühmten Denkmals betrieben hat. Das Denkmal habe ich mit meinen Eltern jedoch nie besucht.


Als meine Kinder begonnen haben, Fragen zu ihrer Herkunft zu stellen, hatte ich Mühe, sie zu beantworten. Ich habe erkannt, dass ich da etwas für mich selbst aufarbeiten muss. Diese Erkenntnis hatte ich 2017 in Guardia Perticara, einem kleinen Dorf in der Basilicata. Dort habe ich verstanden, woher diese Mühe kam. Damals habe ich auch den Entschluss gefasst, meine Suche nach meiner kulturellen Identität aufzuarbeiten, indem ich schreibe.


Der Palazzo Montano steht in Guardia Perticara und beherbergt ein kleines Museum über die Enotrier. Dieses Volk lebte dort, bevor die alten Griechen Süditalien eroberten. Dieses Dorf hat mir sehr viel gegeben, also habe ich mit dem Nachnamen etwas zurückgeben wollen.


Wäre ich in der Basilicata geboren, würde ich Giampietro mit m heissen. Ich bin aber in der Schweiz geboren. In den 1960er Jahren hatten die lokalen Zivilstandämter mehr Entscheidungsspielraum als heute. Viele Beamte waren sehr restriktiv. Namen mussten „ortsüblich“ und klar als männlich oder weiblich erkennbar sein. Fremdsprachige oder ungewöhnliche Namen wurden teilweise abgelehnt. Giampietro mit m wäre in der Deutschschweiz sehr wahrscheinlich abgelehnt worden. Als Kompromiss wäre Gianpietro mit n akzeptiert worden, einerseits weil es eine italienischsprachige Region in der Schweiz gibt und anderseits, weil Montano auch nicht ortsüblich war.


Die Wahl des Vornamens hat mit dem Eingriff in die kulturelle Identität zu tun, den sich die Schweiz früher erlaubt hat. Mit der Revision des Zivilgesetzbuches 2005 wurde die Namensgebung deutlich liberalisiert. Das ist erst zwanzig Jahre her. Heute dürfen Eltern fast alle Namen wählen, solange diese nicht das Kindeswohl beeinträchtigen. 

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