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Vor 171 Jahren

Heute vor einem Jahr erschien im Unter-Emmentaler eine Geschichte wie ich sie liebe, eine Geschichte zum Wandel in der Region Huttwil.

Als der Sonderbundkrieg tobte, gab es im Rätschen noch keine Käserei. Auswärtige fragen sich wahrscheinlich, wo denn Rätschen ist, ich jedenfalls musste zuerst nach Huttwil ziehen, um es zu entdecken. Wenn Sie von Huttwil nach Eriswil fahren, nicht der Langete entlang, sondern über Nyffel dem Nyffelbächli folgen, führt sie die Strasse direkt zur Käserei Rätschen. Damals, bei der Gründung der Käserei, gab es keine Strasse, denn zwischen Rätschen und Nyffel war eine Moorlandschaft und die schweren Käselaibe mussten zuerst mehrere Dutzend Höhenmeter höher auf die Nyffenegg hinaufgebracht werden. Von da ging die Reise des Käses nicht etwa nach Huttwil sondern Richtung Emmental, dort wo einige Käsebarone ein internationales Vertriebsnetz für den Verkauf von Emmentalerkäse aufgebaut hatten. Die Innovationskraft, die hinter dieser frühzeitig globalisierten Wirtschaft stand, ist die Quelle des Niedergangs des Emmentaler Käse. Bevor er mit einer Herkunftsbezeichnung geschützt werden konnte, wurde der Emmentaler schon von Frankreich bis Finnland kopiert.

Nach 170 Jahren war Schluss mit der Käserei. Nicht etwa, weil es keine Milch mehr hätte, sondern nicht mehr genug, um die Qualität rentabel aufrecht zu erhalten. Nun geht kein Käse mehr Richtung Emmental, sondern Milch, die in der ehemaligen Käserei gesammelt und nach Dürrenroth gebracht wird.

Die Einen werden jammern, weil fünf von sechs Käsereien in Huttwil in den letzten Jahrzehnten geschlossen haben. Die Anderen werden sich freuen, dass im hintersten Ecken der Gemeinde, wenige hundert Meter von der Grenze zum Kanton Luzern, eine Käserei während 170 Jahren genügend Arbeit gab, um eine Familie zu ernähren.

Bei aller Romantik für Bisheriges und Vergangenes, im Vordergrund steht für mich die Anpassungskraft der Menschen an die Rahmenbedingungen, die sich ihnen bieten. Vier Jahre nach dem Sonderbundkrieg entstand die Käserei und ihr letzter Käser war ein Luzerner. Die Menschen und Güter finden immer einen Weg.

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