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Die Welle

In diesen Tagen sehen wir Donald Trump auf einer Welle reiten, die auf uns zurast. Diese Welle hat vor vielen Jahren angefangen sich aufzubauen. Ob sie ihre maximale Grösse erreicht hat, wissen wir nicht.


1861 rollte eine Welle über Süditalien. Sie zerstörte das bisherige System, veränderte Süditalien für immer. Die Menschen waren sich unschlüssig. Hoffnung, Anpassung und Widerstand existierten nebeneinander. Wer nichts zu verlieren hatte, hoffte auf ein besseres Leben. Einige hofften auf eine Republik und schlossen sich deshalb Giuseppe Garibaldi an.


Das Risorgimento, die Einigung Italiens, dauerte von 1815 bis 1870. 1815 wurde am Wiener Kongress entschieden, in Europa die Zustände vor der Zeit Napoleons wieder herzustellen. In Italien formierte sich Widerstand gegen diesen Rückschritt, Aufstände wurden von den «Carbonari» organisiert, einem freimaurerähnlichen Geheimbund, dem sich auch Garibaldi anschloss.


Letzten Endes setzte sich jedoch nicht Garibaldi durch, sondern Camillo Benso Graf von Cavour, ein Verfechter einer konstitutionellen italienischen Monarchie. Dies passte weder konservativen noch republikanischen Kräften in Süditalien. Die enttäuschten Anhänger von Garibaldi aus ärmeren Kreisen schlossen sich zur Brigantenbewegung zusammen. Die Armee des neuen Königreichs Italien zerschlug die Bewegung innert wenigen Jahren.


1870 nahm das neue Königreich auch Rom ein, der Kirchenstaat reduzierte sich ab dann auf den Vatikanstaat, noch heute das Machtzentrum der römisch-katholischen Kirche.


Ob unsere heutige Welle der Welle von 1861 entspricht, wissen wir nicht. Auch in Italien gab es vorher bedeutende Ereignisse, welche von einer breiten Bevölkerung wahrgenommen wurden. Der sichtbare Surfer auf der Welle war damals Giuseppe Garibaldi, am Schluss setzte sich aber ein anderer durch.


Ab 1861 setzte in Italien eine Massenauswanderung ein, insgesamt 25 Millionen Menschen verliessen das Land. Zwischen 1876 und 1915 wanderten aus der Basilikata etwa so viele Menschen aus wie die Region heute Einwohner zählt.


Unter diesen Umständen eine Gesellschaft aufrechtzuerhalten, ist schwierig, äusserst schwierig. Eine funktionierende Wirtschaft lässt sich kaum aufbauen, einzig die Landwirtschaft und die Selbstversorgung können unter diesen Umständen bestehen.


Carlo Levi beschrieb in «Cristo si è fermato a Eboli” (Christus kam nur bis Eboli) was er in den 1930er Jahren antraf. Was Banfield 20 Jahre später in Chiaromonte beschrieb, war die Folge einer Entwicklung, die rund ein Jahrhundert gedauert hatte.


Die Welle von 1861 war riesig. Wie gross die heutige Welle noch wird, wissen wir nicht.

 

Buchempfehlung

Carlo Levi (1945) Cristo si è fermato a Eboli.

Deutsche Übersetzung (2003) Christus kam nur bis Eboli ISBN 978-3423130394

 

Der Turiner Arzt, Maler, Schriftsteller und Politiker Carlo Levi wurde 1935 wegen seiner politischen Haltung von der faschistischen Regierung in die Verbannung geschickt. Was er während er seiner Verbannung in der Basilicata erlebte, beschrieb er in diesem Buch.

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